Widerstand gegen die Gentrifizierung
Mitte September fand in Nippes der „Tag des guten Lebens“ statt. Beteiligt war auch die Initiative „Bezahlbares Wohnen in Nippes“. Die Anfang 2022 gegründete Initiative stellte fest, dass bei Vielen ein viel zu großer Teil des verfügbaren Geldes für die Miete draufgeht und Angst vor Verdrängung verbreitet ist. Es entstand die Idee, eine Soziale Erhaltungssatzung für Nippes zu fordern, um diese Entwicklung zu stoppen. Beim „Tag des guten Lebens“ wurden erfolgreich Unterschriften gesammelt: 530 Unterschriften waren es am Ende des Tages. Ganz offensichtlich brennt das Thema vielen Menschen auf den Nägeln.
Bei Diskussionen über diese Angst vor Verdrängung taucht häufig der Begriff „Gentrifizierung“ auf. Aber was genau ist damit gemeint? Dieser Frage geht Leslie Kern in ihrem jetzt auf Deutsch erschienenen Buch nach.
Kern ist assoziierte Professorin für Geografie und Ökologie und Direktorin der Frauen- und Geschlechterstudien an der Mount Allison University in Sackville, Kanada. Ihr Buch ist gut lesbar. Es soll helfen, zu verstehen, wie die Gentrifizierung historisch entstanden ist, und wie, wo und warum Gentrifizierung heute passiert. Vor allem aber soll uns dieses Buch in Erinnerung rufen, dass es zahlreiche Beispiele erfolgreichen Widerstands gegen die Gentrifizierung gibt.
Sie hinterfragt gängige Aussagen über Gentrifizierung und entlarvt sie als Lügen. Etwa, dass Gentrifizierung nicht aufzuhalten sei, denn es gibt viele Beispiele erfolgreicher Initiativen, um Wohnraum zu erhalten und die Gentrifizierung abzuschwächen.
Kern bezieht sich positiv auf materialistische Gentrifizierungs-Theorien von Neil Smith oder David Harvey. Für sie ist Gentrifizierung aber nicht nur eine Frage der Klasse. In vielen Fällen sei Klasse nicht der wichtigste Motor, sondern müsse zusammen mit Faktoren wie Gender, Race, Heteronormativität, Alter und Kolonialismus gedacht werden. Um Gentrifizierung zu verstehen, sei eine intersektionale Analyse erforderlich – so die Einschätzung Kerns.
Sie ruft uns zu: „Gentrifizierung ist nicht unvermeidlich!“ und ermuntert uns, selbst die Kontrolle über die Entwicklung unserer Stadt zu übernehmen. Dazu zählt sie eine Reihe von Instrumenten auf, mit denen dies gelingen könnte: Etwa kommunale und genossenschaftliche Formen des Eigentums, Einschränkungen für Kurzzeitvermietungen wie Airbnb oder das Aussetzen von Zwangsräumungen. Ich ergänze: Soziale Erhaltungssatzungen.
Was sollten wir aus ihrem Buch mitnehmen? Dass wir „die Macht haben, die Geschichte umzuschreiben und die Ergebnisse von Prozessen wie der Gentrifizierung zu verändern“.
Leslie Kern:
Gentrifizierung lässt sich nicht aufhalten und andere Lügen
Unrast Verlag, Münster, 2023
Erschienen in: Platzjabbeck. Zeitschrift der Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Köln, Ausgabe 6/2023