Weiter Streit um Hochhäuser
Erschienen in Lokalberichte 24-03
Ist die am ICE-Bahnhof in Deutz geplante Hochhausgruppe stadtbildverträglich oder engt sie die Sicht auf den Dom so sehr ein, dass er als Weltkulturerbe beeinträchtigt wird? Diese Frage beschäftigt seit längerem die Kölner Kommunalpolitik. Auch während des Hochhaus-Symposiums am 14. November stand sie erneut im Mittelpunkt der Diskussion.
Doch während drinnen die Experten noch ihre Vorträge hielten verkündete Köln Oberbürgermeister Fritz Schramma draußen bereits seine Entscheidung: Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) werde sein umstrittenes Hochhaus an der Hohenzollernbrücke bauen dürfen. Damit enttarnte er die 89.000 € teure Veranstaltung als Alibiveranstaltung. Zudem zerstörte das Vorpreschen des Oberbürgermeisters die Brücke, die den grünen Gegnern des Hochhausbaus eine Zustimmung ohne Gesichtsverlust hätten ermöglichen sollen – wie der Kommentator des Kölner Stadt-Anzeigers zutreffend feststellte.
Doch ob mit oder ohne Zustimmung der Grünen, das Hochhauskonzept im allgemeinen und das LVR-Hochhaus im besonderen kann sich der Unterstützung einer ganz großen Koalition aus SPD, CDU und FDP sicher sein. Am Ende wird wohl allein die PDS gegen das Hochhaus stimmen, die damit als einzige die Bedenken u.a. der Denkmalpflege aufgreifen.
Das Hochhauskonzept 2003
Insgesamt gesehen ist das vom Stadtplanungsamtes im August 2003 vorgelegte Hochhauskonzept ein wichtiger Schritt nach vorn. Dem Konzept liegt die Einschätzung zugrunde, dass sich „die Notwendigkeit eines Hochhauskonzeptes […]einerseits aus der Aufgabenstellung einer zukunftsorientierten Stadtplanung [ergibt], Konzepte und Visionen zu entwickeln, nach denen zeitgemäße städtebauliche Verdichtungen (auch in der Höhe) formuliert werden müssen, und andererseits aus der Verantwortung gegenüber der geschichtlichen Entwicklung der Stadt, aufgrund derer die historischen baulichen Zeugnisse und Strukturen der Stadt zu schützen und zu bewahren sind.“ (Alle kursiv gesetzten Zitate sind dem Hochhauskonzept entnommen.)
Sinnvollerweise steht am Anfang des Konzeptes eine Analyse des Kölner Stadtbildes, dass v.a. durch den Dom aber auch durch den Kranz der Romanischen Kirchen und weitere Baudenkmäler wie den Rathausturm oder die Altstadttore geprägt wird. Um dieses Stadtbild zu bewahren und verantwortungsvoll zu ergänzen, sollen nach den Vorstellungen des Stadtplanungsamtes bei zukünftigen Planungen folgende Aspekte beachtet werden:
a) die Blickbeziehungen v.a. auf den Dom, aber auch auf die anderen Baudenkmäler,
b) die Homogenität der Bauhöhe in den Stadtbereichen und
c) die Gestalt, Erscheinungsform und Silhouette des historischen Stadtkerns.
Dass diese Aspekte in der Vergangenheit häufig nicht beachtet worden sind, zeigen viele der vorhandenen, stadtbildprägenden Hochhäuser1, die ohne „plausible Konzeption“ platziert worden sind. „Die Standorte wurden nicht nach einem städtebaulichen Gestaltungs- oder Ordnungssystem festgelegt, sondern ergaben sich aus der Verfügbarkeit der einzelnen Grundstücke oder aufgrund der Entscheidung der Investoren.“
Eine weitere zentrale Anforderung an die Standorte zukünftiger Hochhäuser, ist ihre „verkehrsoptimale“ Lage; d.h. sie dürfen nur an Standorten mit hervorragender städtischer und regionaler Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln errichtet werden. Konkret wird gefordert, „dass die Entfernung zwischen einem Hochhaus und der nächsten verfügbaren oder mittelfristig realisierbaren Station einer S-Bahn, U-Bahn oder zumindest zweier Straßenbahnlinien maximal 500 Meter betragen darf“. Dies ist plausibel.
Nicht näher erläutert und konkretisiert wird hingegen die Aussage, die „Nähe zur historischen Kernstadt“ sei eine wichtige Voraussetzung für einen akzeptablen Standort. Wurde soeben noch betont, das Konzept folge nicht dem „Druck von Investoren“, wird hiermit implizit deren Standpunkt eingenommen. Argumentiert wird mit der „attraktiven ‚Adresse’“ und der Nachbarschaft zu anderen Großfirmen – beides keine städtebaulichen, sondern betriebswirtschaftlichen Begründungen.
Berücksichtigt werden müssen zudem auch die im Landschaftsplan dargestellten Flächen, die Frischluftschneisen und die Verschattung der Umgebung.
Zukünftige Hochhausstandorte
Für die Platzierung zukünftiger Hochhäuser werden im Hochhauskonzept drei Vorschläge erörtert. Die Idee, einen Kranz von Hochhäusern um die historische Kernstadt zu legen, wird ebenso verworfen, wie die Ausweisung von Hochhausstandorten auf dem ehemaligen Eisenbahnausbesserungswerk in Nippes und auf Flächen um den Großmarkt an der Bonner Straße. Statt dessen sieht das Stadtplanungsamt den Entwicklungsschwerpunkt Kölns auf den industriellen Brach- und Hafenflächen im Rechtsrheinischen. Vor allem hier sollen die Hochhäuser der Zukunft entstehen. Die zentrale Hochhausgruppe am Deutzer ICE-Bahnhof und auf dem ehemaligen CFK-Gelände in Kalk böte die „einmalige Chance, das rechtsrheinische Köln zukunftsorientiert weiterzuentwickeln und ihm ebenfalls eine prägnante Stadtform zu geben“. Zugleich gewährleiste dieser Vorschlag, dass die linke Rheinseite „unverfälscht“ bleibe.
Als Ergänzung zu dieser Hochhausgruppe sind zwei jeweils bis zu 120 Meter hohe Hochhausreihen im Norden (Mülheimer Hafen) und Süden (Deutzer Hafen) vorgesehen. Beide Flächen verfügen jedoch (noch) nicht über die geforderte Anbindung an den ÖPNV. Während das Hochhauskonzept denn auch folgerichtig eine „Ertüchtigung der Deutz-Mülheimer-Straße für den Stadtbahnbetrieb“ als Voraussetzung zur Entwicklung des Standorts am Mülheimer Hafen benennt, behauptet sie, die geforderte verkehrliche Anbindung sei am Deutzer Hafen vorhanden. Tatsächlich fährt derzeit auf der Siegburger Straße jedoch nur eine vollwertige Straßenbahnlinie. Während sich hier jedoch bereits mittelfristig Abhilfe schaffen lässt, stellt sich die Situation auf den Flächen entlang der Deutz-Mülheimer-Straße schwieriger dar. Hier liegt die erforderliche Anbindung an das Straßenbahnnetz noch in weiter Ferne.
Im linksrheinischen Köln sollen innerhalb des Eisenbahnringes nur noch drei weitere Hochhäuser am Ring genehmigt werden – als Standorte werden Ebertplatz, Rudolfplatz und Barbarossaplatz genannt –, deren Höhe jedoch 60 m nicht übersteigen soll. Als Gegeben hingenommen werden zudem die drei geplanten Hochhäuser im Rheinauhafen. Weitere Hochhäuser wären nicht mehr zulässig.
Fehlentwicklungen
Bei der Umsetzung zukünftiger Hochhausplanungen soll eine „2×10-Punkte Checkliste“ zugrunde gelegt werden. Deren Festlegungen sind durchaus sinnvoll, können Fehlentwicklungen jedoch nur dann verhindern, wenn sie in der Praxis auch beachtet werden. Ob dies der Fall sein wird, muss sich erst noch erweisen. Die gängige Praxis in der Kölner Kommunalpolitik lässt hieran jedoch eher zweifeln.
So verstoßen die Planung am ICE-Bahnhof in Deutz u.a. gegen die wichtige Vorgabe, dass „vornehmlich ‚Turmhochhäuser’ (keine Scheiben)“ geplant werden sollen. Gerade die Tatsache, dass es sich bei den drei Hochhäuser um Scheiben handelt, die mit ihrer Breitseite parallel zum Rhein verlaufen, wird denn auch von der Deutschen Unesco-Kommission kritisiert. Sie befürchtet, dass sich durch die Überschneidung Wände bilden, welche die Sicht auf den Dom einengen bzw. verstellen. Wie dieses Szenario vom Münchener Architekten Peter Eisenlauer auf dem Hochhaus-Symposium als „stadtbildverträglich“ eingestuft werden konnte, bleibt ein Rätsel.
Solche Kotaus vor den Investoren kennzeichneten auch bereits das Umgehen der Politik mit dem 1994 vom Stadtplanungsamt vorgelegten Entwurf für ein Hochhauskonzept. Statt sich auf verbindliche Anforderungen festzulegen, zog es der Rat der Stadt Köln damals vor, weiterhin im freien Spiel der (Markt-)kräfte Fakten zu schaffen, und dabei ein ums andere Mal stadtplanerische und denkmalpflegerische Erwägungen hintanzustellen. Die Ergebnisse dieser Politik sind im Stadtbild nicht zu übersehen. In der linksrheinischen Innenstadt finden sich zwischen der Eisenbahnstrecke bzw. der Inneren Kanalstraße (im nördliche Bereich) und dem Rhein nicht weniger als 20 Hochhäuser mit einer Höhe von mehr als 60 Metern. Hinzu kommen elf weitere Hochhäuser, die sich im Rechtsrheinischen allein im Stadtteil Deutz stehen. Das Hochhauskonzept kommt mithin Jahrzehnte zu spät, denn – die Computersimulation von Peter Eisenlauer machte dies deutlich – diese „Sünden der Vergangenheit“ beeinträchtigen das Stadtpanorama und versperren teils den Blick auf den Dom.
Die City des 21. Jahrhunderts
Diese Hochhauskulisse soll nun also im Linksrheinischen noch durch je drei Hochhäuser im Rheinauhafen und entlang des Rings, und auf den Flächen in Deutz, Kalk und Mülheim durch 17 Hochhäuser erweitert werden. In der Summe sollen die im Stadtzentrum zu beiden Seiten des Rheins heute vorhandenen 31 Hochhäuser durch 23 (!) weitere ergänzt werden.
Verkauft wird diese Welle neuer Hochhäuser speziell im Rechtsrheinischen schon seit Jahren mit der Vision, dass hier „als Pedant zum mittelalterlichen Stadtkern […] die City des 21. Jahrhunderts entstehen“ könnte – so z.B. der ehemalige Oberbürgermeister Norbert Burger. Das ist schön gedacht und in der Grundausrichtung dann sinnvoll, wenn damit eine Wiedernutzung der großen Brachflächen verfolgt wird, die sich an menschlichen Maßstäben orientiert und soziale und ökologische Aspekte im Auge behält. Einer solchen Ausrichtung widerspricht jedoch die Fixierung auf die Hochhausprojekte, die derzeit am ICE-Bahnhof in Deutz geplant werden.
1 Hochhäuser können unterschiedlich definiert werden: Nach der Landesbauordnung sind Hochhäuser Gebäude, bei denen der Fußboden mindestens eines Aufenthaltsraumes mehr als 22 m über der Geländeoberfläche liegt. Die Stadt Köln erfasst in ihrem Hochhauskonzept nur solche Hochhäuser, die höher 60 m sind. Zentraler Bezugspunkt aller Hochhausplanungen ist immer der Dom. Seine Türme haben eine Höhe von 157 Meter, der First ist 61,50 Meter hoch.