Mickaël Labbé: Platz nehmen. Gegen eine Architektur der Verachtung
Anstoß für eine Kampagne gegen eine Architektur der Verachtung

Mickaël Labbé: Platz nehmen. Gegen eine Architektur der Verachtung
Anstoß für eine Kampagne gegen eine Architektur der Verachtung

Erschienen in: Platzjabbeck. Zeitschrift der Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Köln, Ausgabe 2/2024

2023 erschien in deutscher Übersetzung Mickaël Labbé Buch „Platz nehmen. Gegen eine Architektur der Verachtung“. Labbé ist Direktor der Philosophischen Fakultät der Universität Straßburg. Sein Buch wurde aufmerksam wahrgenommen. So erschien etwa in der Kölner Stadt Revue eine Besprechung. Auch der Linksfraktion im Kölner Rat ist das Buch aufgefallen. Es hat uns zu einer Kampagne gegen eine Architektur der Verachtung angeregt, die am 8. April starten wird.

Labbé unternimmt in seinem Buch drei Streifzüge durch die Stadt:

Der erste Streifzug folgt Phänomenen, in denen sich die pathologische Entwicklung des städtischen Raums beispielhaft zeigt: Zeichen der Verachtung und Nichtanerkennung in einem krank gewordenen Raum.

Ein zweiter Streifzug ermöglicht es uns, den Gedanken des Rechts auf Stadt neu zu beleben: als Kampf um Anerkennung und Wiederaneignung unserer Alltagsträume.

Der dritte Streifzug untersucht kritisch, wie die Architektur als Disziplin zu einer erklärtermaßen ethischen und sozialen Stadtentwicklung beitragen könnte.

Die „Camden Bench“ ist für ihn das paradigmatische Beispiel für ein ganzes Arsenal obdachlosenfeindlichen Mobiliars. Als unschuldiger architektonischer Entwurf kaschiert, drücke diese Bank tatsächlich Verachtung aus. Sie hindere Menschen daran, sich zu setzen, sich zu legen, sich auszuruhen. Sie signalisiere Obdachlosen, Jugendlichen oder Drogenkonsumierenden, dass sie nicht willkommen sind.

Dabei werden Probleme durch diese Möbel nicht gelöst, sondern nur aus dem Blickfeld verdrängt. In der heutigen Gesellschaft sollen die Schwächsten unsichtbar gemacht werden.

Dem gleichen Ziel diene der Einsatz von Überwachungskameras oder die verstärkte Präsenz der Polizei im öffentlichen Raum. Der Gipfel seien dann gated communities, in denen der Raum der Öffentlichkeit gänzlich entzogen wird.

Was durch solche Maßnahmen verloren gehe, sei die Erfahrung von Stadt: Der Möglichkeit einer Konfrontation mit der Vielfalt von Lebensweisen, und die Notwendigkeit, mit Menschen auszukommen, die anders sind als man selbst.

Dem stellt Labbé mit Verweis auf den französischen Philosophen Henri Lefebvre das Recht auf Aneignung des städtischen Territoriums, auf ein erneuertes Recht auf Stadt entgegen. In Zeiten wir heute, sei es notwendig, die Stadt anders zu denken: dem Individualismus, der Vereinzelung und der Zerschlagung kollektiver Selbstorganisation stellt er das Bedürfnis, die Räume unseres Lebens selbst zu gestalten, entgegen.

Die Durchsetzung dieses „Utopischen Begehrens“ erfordere Handlungs- und Durchsetzungsmacht der „gewöhnlichen Bürger“.

Gerne schließen wir uns seinem Plädoyer für jene banalen, gewöhnlichen, nicht immer perfekten und nicht besonders aufregenden Alltagsorte an. Ziel ist es nicht, die Straßen und Plätze für die Tourist*innen herauszuputzen. Es geht um das gewöhnliche Leben der Anwohner*innen und Besucher*innen. Für Labbé ist das der unscheinbare, ja ein wenig hässliche Marktplatz in Neudorf (Straßburg). In Köln wären das vielleicht der Platz an der Kalker Post oder der Platz der Kulturen in Finkenberg.

Mickaël Labbé: Platz nehmen. Gegen eine Architektur der Verachtung

Edition Nautilus, Hamburg, 2023, 208 Seiten, 20 Euro

https://ausgrenzende-architektur-koeln.de/

Quellenangabe für das Foto: (c) the wub, CC BY-SA 4.0 Deed

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