Das Recht auf Wohnen sollte demokratisch und gemeinwirtschaftlich geregelt sein.

Das Recht auf Wohnen sollte demokratisch und gemeinwirtschaftlich geregelt sein.

Rezension von: Reinhold Gütter: Wohnungsnot und Bodenmarkt. Nachhaltige Alternativen für Wohnen und Stadtentwicklung. Eine Flugschrift
104 Seiten | VSA-Verlag, Hamburg 2019 | EUR 9,80

Reinhold Gütter, ehemals Abteilungsleiter im Kölner Amt für Stadtentwicklungsplanung, hat eine Flugschrift verfasst. Er will einen verständlichen Überblick über die Wohnungspolitik im Nachkriegsdeutschland und den Umgang mit dem Grundbedürfnis Wohnen in kapitalistisch verfassten Gesellschaften geben.

Ein anspruchsvolles Vorhaben, das ihm gut gelingt. Sicher auch dank seiner umfassenden beruflichen Erfahrungen auf dem Feld. Seine beruflichen Stationen führten in von Nürnberg über Köln nach Hamburg, wo er zuletzt Baudezernent des Hamburger Bezirks Altona gewesen ist.

In einem „Ritt durch Raum und Zeit“ stellt Gütter drei sehr unterschiedliche nationale Ansätze zur Lösung von Wohnungsnotständen vor: Den Berliner Mietskasernenbau, den er mit den Worten von Werner Hegemann als „eine der fluchenswürdigsten Formen des großstädtischen Massenpferchs“ kritisiert; das Council Housing in Großbritannien und die Hypothekenkredite in den USA.

Er zeigt auf, dass konservative Politiker*innen hoheitliche Eingriffe in die Immobilienwirtschaft stets vehement bekämpfen. Eine Erfahrung, die sich aktuell auch in Köln bestätigt: Hier hat der Rat auf seiner letzten Sitzung auf Betreiben vor allem von CDU und FDP, aber auch unterstützt durch die Grünen, die soziale Erhaltungssatzung für das Severinsviertel von der Tagesordnung genommen. Dass zuvor schon der Antrag der LINKEN, in Köln einen Mietendeckel einzuführen, abgelehnt worden ist, kann da wenig überraschen.

Nach einem Rückblick auf Diskussionen der 1970er Jahre benennt Gütter die drei Faktoren, aus denen der Preis von Immobilien besteht, nämlich aus „Lage, Lage, Lage“. Seine Schlussfolgerung:

„Der vom Immobilienhandel als wesentlich bezeichnete Lagewert beruht auf Leistungen der Gesellschaft und sollte deshalb von Privaten nicht kapitalisiert werden dürfen.“

Sehr informativ ist sein Überblick über die Entwicklung der großstädtischen Wohnungsmärkte in den wachstumsstarken Metropolen Berlin, Frankfurt /Main, Hamburg, München und kontrastierend hierzu die Entwicklung in drei schrumpfenden Großstädten im nordwestlichen Ruhrgebiet (Duisburg, Gelsenkirchen und Oberhausen).

Es wird deutlich, wie gespalten die Wohnungsmärkte sind. Während Immobilien mancherorts unverkäuflich sind, explodieren andernorts die Preise. Diese Spaltung setzt sich auch innerhalb von Städten fort, wo sich Quartiere mehr und mehr voneinander abgeschotteten.

Diese räumliche Polarisierung korrespondiert mit einer zunehmenden Polarisierung der Einkommen. Jüngst haben Till Baldenius, Sebastian Kohl und Moritz Schularick in einer Studie[1] nachgewiesen, wie ungleich die Zuwächse des Immobilienvermögens auf die Einkommensklassen verteilt sind. Die Inflation der Immobilienpreise verschärft die Vermögensumverteilung ganz erheblich.

Gütter belässt es nicht allein bei der Analyse. Er zieht klare Konsequenzen und unterstützt die Forderung des Berliner Volksbegehrens zur Rückübertragung von der Stadt Berlin zuvor veräußerter Wohnungsbestände und zur Enteignung großer Wohnungsbestandshalter.[2]

Er argumentiert, dass Wohnungsneubau in den wachstumsstarken Metropolregionen ohne Zweifel erforderlich sei, aber die Wohnungsnot könne dort durch Wohnungsneubau nur langfristig behoben werden. Eine zeitnahe Lösung der Wohnungsnot biete hingegen die Sozialisierung von Wohnungsbeständen, die sich in der Hand von Kapitalgesellschaften befinden.

„Damit wäre in der Tat noch keine einzige neue Wohnung geschaffen, die vermögenslose Hälfte der Bevölkerung jedoch vor dem Angriff vagabundierenden Kapitals auf ihr Recht auf Wohnen geschützt.“

Als weitere Instrumente führt er auf: Wohnungsbau für breite Kreise der Bevölkerung durch die öffentliche Hand selbst; ein konsequent ausgeschöpftes, preislimitiertes Vorkaufsrecht zugunsten der Kommunen; die Wiedereinführung der Steuerbefreiung für gemeinnützige Wohnungsunternehmen; und schließlich: die Vergesellschaftung des Grund und Bodens, der für Wohnzwecke genutzt ist und benötigt wird.

  1. Die neue Wohnungsfrage. Gewinner und Verlierer des deutschen Immobilienbooms, Bonn 2019.

  2. https://www.dwenteignen.de/

 

Hinweis: Diese Rezension wurde in gekürzter Fassung hier veröffentlicht:

Platzjabbeck. Zeitschrift der Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Köln, Ausgabe 7/2019 (Oktober 2019)

https://www.linksfraktion-koeln.de/fileadmin/lcmslfkoeln/alles_thematisch/Platzjabbeck/platzjabbeck_2019_07.pdf

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