Ein Plädoyer gegen die Wegwerfideologie des Kapitalismus
Vittorio Lampugnani: Gegen Wegwerfarchitektur
Ein Plädoyer gegen die Wegwerfideologie des Kapitalismus
Blog zu Bauen. Wohnen. Stadtentwicklung in Köln
Dr. Günter Bell, Stadtplaner und Sozialwissenschaftler, Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE. im Rat der Stadt Köln, kommentiert hier privat
Die Bauwirtschaft verbraucht weltweit immens viel Material, Energie und Landfläche. Sie ist für einen Großteil jenes Ausstoßes von Kohlendioxid verantwortlich, der das Klima, den Planten und unsere Existenz bedroht. Das veranlasst den international angesehenen Architekten Vittorio Lampugnani dazu in seinem 2023 erschienen Buch „Gegen Wegwerfarchitektur“ für einen Paradigmenwechsel in den Baukultur zu werben.
Es darf kein neues Bauland mehr ausgewiesen werden
Der vermeintlichen Zauberformel „Wärmedämmung“ erteilt er eine klare Absage. Eine ernsthafte Betrachtung der Nachhaltigkeit müsse ganzheitlich und grundsätzlicher sein.
So fordert er, kein neues Bauland mehr auszuweisen. Man müsse zusammenzurücken.
Die von ihm propagierte „Strategie der Dichte“ wird auch von der Stadt Köln akzeptiert – zumindest auf dem Papier: Am 23. März 2023 hat der Rat den „Köln-Katalog“ als Konzept für eine nachhaltige Stadtentwicklung beschlossen. Der Katalog zeigt, wie kompakte und somit flächensparende Quartiere zukünftig aussehen können.
Leider fehlt die Konsequenz, dann auch tatsächlich auf die von Lampugnani als problematisch charakterisierten einzel-stehenden oder lose gruppierte und aneinandergereihte Häuser zu verzichten und konsequent auf eine Blockrandbebauung aus vier- bis achtgeschossigen Häusern zu setzen.
Genug der Abrise
Neuerdings erfolge die Zerstörung von Bausubstanz unter dem Vorwand der Energieeinsparung. Jetzt seien es die wärmetechnisch unzulänglichen Häuser, die ohne Not plattgemacht werden – so die Kritik von Lampugnani.
Für ihn ist das ökologischste Haus das, was nicht realisiert wird.
Es ist also konsequent, für den Erhalt der Siedlungen der vierziger und fünfziger, vor allem aber der Großsiedlungen der sechziger und siebziger Jahre zu werben. Sie stellten ein gewaltiges Kapital an preiswertem Wohnangebot dar und müssten vor dem Abriss geschützt und aufgewertet und modernisiert werden.
Damit liegt Lampugnani auf einer Linie mit einem breiten Bündnis von Institutionen und Personen, das im September 2022 ein Abrissmoratorium gefordert hat:
„Statt Abriss und Neubau stehen wir für Erhalt, Sanierung, Umbau und Weiterbauen im Bestand. Jeder Abriss bedarf einer Genehmigung unter der Maßgabe des Gemeinwohls, also der Prüfung der sozialen und ökologischen Umweltwirkungen.“
Die Linksfraktion hat im November 2022 im Rat der Stadt Köln die Unterstützung dieser Initiative gefordert. Der Antrag wurde in den Bauausschuss verwiesen, und dort seitdem beraten.
Vielleicht trägt die Lektüre des bemerkenswerten Buchs von Lampugnani dazu bei, dass sich die Ausschussmitglieder ein Herz nehmen und im Herbst nun endlich das Abrissmoratorium unterstützen.
Erschienen im Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 2023, 128 Seiten, 18 Euro
Zum Nachlesen:
Abrissmoratorium
https://abrissmoratorium.de/
Antrag der Linksfraktion
https://ratsinformation.stadt-koeln.de/getfile.asp?id=901803&type=do
Foto: © U.S. Department of Housing and Urban Development Office of Policy Development and Research – Creating Defensible Space
Abriss eines Gebäudes des Pruitt-Igoe-Wohngebietes in St. Louis (1972)