Damit Wohnen bezahlbar bleibt – Mieten deckeln, Sozialer Wohnungsbau jetzt!
Erschienen in Z 93
Bericht über die wohnungspolitische Konferenz der LINKEN in Göttingen am 15. Dezember 2012
Jahre lang blieb die Wohnungspolitik vor allem dem kleinen Kreis der Fachleute aus Wohnungswirtschaft und Mieterverbänden überlassen. Das hat sich mittlerweile geändert: Die Wohnungspolitik ist zu einem Top-Thema geworden. Es vergeht kaum eine Woche ohne Schlagzeile auf einem der auflagenstarken Magazine oder Tageszeitungen. Auch der Bundesvorstand der LINKEN hat die Bedeutung des Themas erkannt und Anfang 2012 eine mieten- und wohnungspolitische Offensive beschlossen. Teil dieser Offensive war eine wohnungspolitische Konferenz, die am 15. Dezember 2012 in Göttingen stattfand.
Die Bedeutung, die DIE LINKE dem Thema beimisst, wurde durch die Teilnahme des Bundesvorsitzenden Bernd Riexinger unterstrichen. Er wies einleitend auf die Mietpreisexplosion und den Mangel an bezahlbarem Wohnraum vor allem in den Wachstumsregionen hin und forderte eine grundlegende Neuausrichtung der Wohnungspolitik. Wichtige Elemente dieser linken Wohnungspolitik sollen ein verstärkter sozialer Wohnungsbau, das Verbot von Wohnungsverkäufen an renditeorientierte Unternehmen und die Unterbindung horrender Mietsteigerungen bei Neuvermietung sein. Zudem kündigte er an, dass die Wohnungspolitik ein zentrales Thema des LINKEN Bundestagswahlkampfes sein werde.
Aus niedersächsischer Sicht wurden diese Ausführungen durch Ursula Weisser-Roelle, Spitzenkandidatin der LINKEN bei der niedersächsischen Landtagswahl am 20. Februar 2013, ergänzt.
DIE LINKE wollte nicht im eigenen Saft zu schmoren und hatte drei Gäste um Beiträge gebeten. Elke Kahr von der Kommunistischem Partei Österreichs (KPÖ) berichtete von der erfolgreichen Politik ihrer Partei in Graz, wo sie auch dank ihres wohnungspolitischen Profils bei den letzten Gemeinderatswahlen fast 20 % der Stimmen erreicht hat. Markenzeichen der Grazer KPÖ sei ihr seit 1996 angebotener Mieternotruf. Hier werde ratsuchenden Mieter/innen bei Mietverträgen und Betriebskostenabrechnungen ebenso geholfen, wie bei Schikanen durch Vermieter, Kündigungen und Räumungsklagen. Im Mittelpunkt der kommunistischen Wohnungspolitik in Graz stünden die Gemeindewohnungen. Ihre Zahl soll nach den Vorstellungen der KPÖ durch ein Sonderwohnbauprogramm weiter erhöht und ältere Gemeindehäuser saniert werden.
Lukas Siebenkotten, Bundesdirektor Deutscher Mieterbund (DMB), kritisierte eingangs das kurz zuvor im Bundestag von CDU/CSU/FDP beschlossene Mietrechtsänderungsgesetz, ein Gesetz, das – so Siebenkotten –zu drastischen Mietrechtsverschlechterungen führe. Zudem greife es die eigentlichen Probleme auf dem Wohnungsmarkt gar nicht auf: Es gebe zu wenig öffentliche Anstrengungen, wenigstens die aus der Sozialbindung fallenden Wohnungen zu ersetzen. Doch er warnte auch, dass Neubau zwar erforderlich sei, allein aber nicht ausreiche. Erforderlich sei auch eine Wohnungsbestandspolitik im Interesse der Mieter/innen. Vor allem die jährlich umziehenden 11 % der Haushalte müssten vor Mietpreiserhöhungen geschützt werden. Seine Forderung nach einer Begrenzung der Neuvertragsmiete fand auf der Konferenz viel Zustimmung.
Schließlich rief Mike Nagler vom Institut für Bauwirtschaft der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig das unrühmliche Dresdner Beispiel in Erinnerung und kritisierte den 2006 erfolgten Verkauf der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft an den Hedge-Fonds Fortress. Um solche Verkäufe zukünftig zu verhindern und den kommunalen Wohnungsbestand zu erhöhen, schlug er ein gesetzliches Verbot weiterer Verkäufe von öffentlichen Wohnungsbeständen an Finanzinvestoren, Private-Equity oder Hedge-Fonds und ein Programm zur (Re-)Kommunalisierung von Wohnungen vor.
Nachmittags schlossen sich Arbeitsgruppen zu den Themen sozialverträgliche Mieten, sozialer Wohnungsbau und zukunftsfähige Kommunen an.
Die von Katrin Lompscher, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Berliner Abgeordnetenhaus und Sprecherin der BAG Städtebau- und Wohnungspolitik der LINKEN, vorgetragenen Ergebnisse der Arbeitsgruppe sozialverträgliche Mieten ging an einigen Punkten über die Positionen des DMB hinaus. So wurde eine Abschaffung der Modernisierungsumlage – und nicht nur deren Begrenzung auf 9 Prozent – gefordert. Unter den Teilnehmern/innen kontrovers diskutiert wurde der richtige Weg zur Begrenzung der Wohnkosten: Soll die Miete in Relation zum Einkommen festgesetzt werden – etwa auf 30% des Nettoeinkommens – oder durch eine generelle Mietpreisbegrenzung auf 4 bis 6 € pro m² Wohnfläche? Einigkeit bestand hingegen bei der Forderung, dass Mieterhöhungen in Folge einer energetische Sanierung nur in Höhe der Energieeinsparung zulässig sein sollen. Eine solche Warmmietneutralität wird nur mit massiven staatlichen Zuschüssen zu verwirklichen sein.
Heidrun Bluhm, wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag, berichtete über die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zum sozialen Wohnungsbau. Um das Ziel ausreichend großer auf Dauer mietpreis- und belegungsgebundener Wohnungsbestände zu erreichen, setzt DIE LINKE auf einen demokratisch regulierten Wohnungsbau in kommunaler Verantwortung, der über revolvierende Fonds finanziert wird. DIE LINKE strebt hierzu den Aufbau eines wiederbelebten Sektors „neuer gemeinnütziger Wohnungsunternehmen“ an. Zur Finanzierung dieses gemeinnützigen Wohnungsbaus ist es erforderlich, dass der Bund sich auch über 2013 an der sozialen Wohnraumförderung beteiligt.
Tomas Grohé, ebenfalls Sprecher der BAG Städtebau- und Wohnungspolitik der LINKEN, berichtete, dass in der Arbeitsgruppe über zukunftsfähige Kommunen Verhinderung der Verdrängung von Menschen mit geringen Einkommen aus ihren angestammten Quartieren und die Forderung nach einer wirklich partizipativen Planungskultur im Mittelpunkt gestanden habe.
Insgesamt vermittelte diese Konferenz einen interessanten Einblick in die wohnungspolitische Debatte der LINKEN. Neben thematischen Einzelaspekten ist ein wichtiges Kennzeichen dieser Debatte, dass sich DIE LINKE um eine Wohnungspolitik aus der Sicht der Mieter/innen bemüht und der Mobilisierung der Mieter/innen große Bedeutung beimisst.
Es war aber auch nicht zu übersehen, dass es der LINKEN noch an einer geschlossenen wohnungspolitischen Alternativkonzeption fehlt. Die ausliegenden Kopien mit Auszügen aus dem erst kürzlich beschlossenen Grundsatzprogramms der LINKEN unterstrichen diesen Eindruck noch. Dort sind einige Idee aufgeführt und ist allenfalls eine grobe Richtung erkennbar, in die DIE LINKE wohnungspolitisch gehen will. Diese Lücke wird sich kurzfristig durch eine Wahlprogramm nicht schließen lassen. Die gewachsene Aufmerksamkeit für das Thema Wohnen kann aber Anstoß und Rückenwind sein, eine solche wohnungspolitische Alternativkonzeption zu erarbeiten.
Dies wird nicht von der LINKEN allein zu leisten sein. Die Partei sollte deshalb die Chance nutzen, die Kompetenz ihrer parlamentarischen und außerparlamentarisch Wohnungspolitiker/innen in diesen Prozess einzubringen und das Gespräch mit den Mieterverbänden, Gewerkschaften, wohnungspolitischen Basisinitiativen und alternativen Bauprojekten suchen.